März 2024

Diagnose einer Polyneuropathie

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Polyneuropathie kann viele Ursachen haben. Eine gründliche und umfängliche Diagnostik ist deshalb zentral, um aus den Ursachen folgend geeignete Therapieverfahren ableiten zu können. Der Weg zur Diagnose einer Polyneuropathie ist allerdings lang und nicht ohne Hürden, hören wir von vielen Betroffenen.
Dies muss nicht so sein. Mit ausreichend Informationen gewappnet, können Patient*innen gut in den Austausch mit Ärzten kommen, kompetent Nachfragen stellen und bestimmte Diagnoseschritte einfordern.

Der folgende Blogbeitrag soll Ihnen dabei helfen, sich gut auf die Diagnoseschritte vorzubereiten sowie einen Überblick über die verschiedenen Verfahren zu gewinnen. Welche der einzelnen Maßnahmen dabei für Sie relevant sind, hängt von der Anamnese ab, bei der mögliche Ursachen und Auslöser in den Blick gelangen. 
Für mehr Grundlagenwissen, lesen Sie auch hier: Was ist Polyneuropathie

Anlaufstellen / Spezialisten für die Diagnose einer Polyneuropathie

An wen wenden Sie sich, wenn bei Ihnen Kribbeln, Brennen, Taubheit oder Schmerzen spürbar sind? 

Liegt bei Ihnen der Verdacht auf eine Polyneuropathie vor, ist Ihre erste Anlaufstelle meist der Hausarzt. Dieser befragt Sie in der Regel zu Ihren Symptomen, testet ggf. einzelne Funktionen des Nervensystems. Er kann auch (übergangsweise) Medikamente gegen die Beschwerden verschreiben.

Sind Sie Diabetiker, ist auch Ihr Diabetologe ein geeigneter Ansprechpartner. Aufgrund der Prädisposition für Polyneuropathie ist die jährliche Abklärung entsprechender Symptome sogar in den Leitlinien zur Behandlung von Diabetes festgeschrieben. Manche Diabetologen sind entsprechend ausgestattet, damit Sie bestimmte Diagnoseverfahren in Ihrer Praxis durchführen können.

Mit der Verdachtsdiagnose bzw. den Befunden werden Sie dann zum Neurologen überwiesen, der detaillierte Tests und Untersuchungen durchführen wird. Ziel ist es, die Diagnose Polyneuropathie abzusichern bzw. auszuschließen, dass die Beschwerden durch andere Krankheiten mit einer ähnlichen Symptomatik hervorgerufen werden. Dies nennt sich Differentialdiagnostik.

Wie bereite ich mich auf das Arztgespräch vor?

Zu Beginn führt jeder Arzt eine Anamnese durch. Im Mittelpunkt stehen Ihre Symptome, Ihre Krankenvorgeschichte, die Krankengeschichte Ihrer Familienangehörigen, Medikamente, Ihre Alltagsgewohnheiten (Ernährung, Bewegung, Beruf) u.a.
Mit folgenden Fragen können Sie sich gut auf das Anamnesegespräch vorbereiten.

  • Welche Beschwerden habe ich? Seit wann? Und in welcher Intensität?
  • Gibt es etwas, womit sich die Beschwerden lindern lassen? Was verschlimmert sie ggf.?
  • Welche Krankheiten hatte ich in der Vergangenheit? Wurde ich operiert?
  • Sind aktuell Krankheiten diagnostiziert (v.a. Stoffwechselkrankheiten oder Infektionskrankheiten)
  • Sind oder waren bei meinen Familienangehörigen ähnliche Symptome bekannt?
  • Nehme ich Medikamente ein? Welche und in welcher Dosierung?
  • Wie ernähre ich mich für gewöhnlich? Sind ggf. Nährstoffmängel bekannt?
  • Bestehen bei mir psychische Störungen/Belastungen (Ängste, Depressionen, Stress)?

Dokumente, die Sie mitbringen sollten, sind: Vorbefunde, Überweisungsschein, Medikamentenliste. Besonders hilfreich kann es zudem für den Arzt sein, wenn Sie ein Symptomtagebuch über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen führen. 

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Verfahren zur Diagnose einer Polyneuropathie

Die Diagnose einer PNP kann unter Umständen sehr komplex, umfänglich und langwierig sein. Es gibt eine Reihe an allgemeinen, standardisierten Untersuchungen, aber auch zusätzliche Verfahren.

Die Diagnoseverfahren sind international standardisiert. Es gibt Leitlinien für die Diagnostik einer Polyneuropathie. Diese verstehen sich als Empfehlungen, sie sind rechtlich aber nicht bindend. Jeder Arzt kann nach eigenem Ermessen beurteilen, welche Verfahren er einsetzt, muss aber immer begründen, warum er bestimmte Verfahren NICHT einsetzt. Sie haben immer das Recht und die Möglichkeit, weitere Diagnoseschritte einzufordern oder sich erläutern zu lassen, warum bestimmte Verfahren nicht angewandt werden.

Allgemeine Untersuchung

Die allgemeine neurologische Untersuchung umfasst die Erhebung zum körperlichen, psychischen und vegetativen Zustand. Dazu zählen: 

  • Beurteilung des Gangs, der Haltung (Gleichgewicht, Koordination)
  • Prüfung der Beweglichkeit des Kopfes und Nackens
  • Prüfung der Sinnesfunktionen: Tasten, Sehen, Riechen, Hören
  • Prüfung der Reflexe
  • Prüfung der Wachheit, Stimmung, des Gedächtnisses
  • Erhebung zu Stresssymptomen, Pulsmessung
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Nervenleitgeschwindigkeit

Bei der Elektroneurografie misst der Arzt mittels Elektroden die Leitgeschwindigkeit und -Amplitude (Höhe) von Impulsen (in dem Fall leichten Stromstößen). Die Ergebnisse geben Aufschluss über den Grad der Schädigung von Nervenfasern oder ihrer Hülle.

Durch die Ergebnisse kann der Arzt einordnen, ob eine axonale Neuropathie vorliegt, also eine Schädigung der Nervenfortsatzes (Axon). In diesem Fall ist die Amplitude niedriger. Ist die Leitgeschwindigkeit hingegen verringert, spricht dies für eine demyelinisierende Neuropathie, also eine Schädigung der Nervenhülle.

Verschiedene Umstände können entweder die eine oder andere Form begünstigen. Alkohol, Diabetes und Vitamin-B12-Mangel führen häufig zu axonalen Neuropathien, während Entzündungen eher demyelinisierende Neuropathien hervorrufen können. Es ist jedoch auch eine Kombination aus beiden Formen möglich.

Nicht immer führt die Elektroneurografie zu einer gesicherten Polyneuropathie-Diagnose. Im Falle der Small-Fiber-Neuropathie beispielsweise liegen die gleichen Symptome vor, die Messung aber zeigt häufig keine Abweichungen vom Standard.

Elektrische Muskelaktivität (Elektromyografie)

Mithilfe einer Nadelelektrode, die am untersuchenden Muskel eingeführt wird, wird bei der Elektromyografie die elektrische Aktivität in den Muskelzellen untersucht. Die Messung dient dazu, herauszufinden, ob insb. bei Lähmungserscheinungen keine oder verminderte Nervensignale im Muskel ankommen, also motorische Nervenfasern beeinträchtigt sind, oder ob das Muskelgewebe an sich geschädigt ist, z.B. durch bestimmte Krankheiten.

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Laboruntersuchungen

Bestimmte Blutuntersuchungen können Aufschluss über mögliche Auslöser von Polyneuropathien geben oder im Rahmen der Diafferentialdiagnostik Krankheiten mit ähnlichen Symptomen ausschließen. Erhoben werden können:

  • Entzündungswerte (CRP)
  • Leber- und Nierenwerte
  • Schilddrüsenwerte
  • Blutzuckerwerte
  • Antikörper auf bestimmte Erreger (z.B. Borrelien, HIV, Herpes Zoster)
  • Eisenwerte (bei Verdacht auf Restless-Legs-Syndrom)
  • Cholesterin- und Triglyceridwerte (bei Verdacht auf Artheriosklerose)
  • CDT (Carbohydrate Deficient Transferrin - bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch)
  • B12, Folsäure (B9), Thiamin (B1) und Vitamin E (bei Verdacht auf Nährstoffmangel)

Über einen Bluttest kann mit einer genetischen Untersuchung auch dem Verdacht einer vererbten Polyneuropathieform nachgegangen werden.

Liquoruntersuchung

Die Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) erfolgt mittels Punktion (Entnahme über eine Nadel/Kanüle), wenn der Verdacht auf eine Infektion oder Entzündung des zentralen Nervensystems besteht. Über die Entnahme können folgende Marker nachgewiesen werden:

• Krankheitserreger
• Genmaterial von Viren oder Bakterien
• Antikörper
• Tumorzellen
• Krankhafte Abbauprodukte von Nervengewebe

Differentialdiagnose

Sollten andere Ursachen im Verdacht stehen, die Symptome hervorzurufen, wird eine sog. Differentialdiagnostik durchgeführt.

Ziel der Differenzialdiagnostik ist es, mögliche andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen und somit einer gesicherten Ursachenbestimmung näher zu kommen.

Untersucht wird zum Beispiel auf:
• Rückstände bestimmter Bakterien oder Viren (Immunreaktionen als Grund für die Beschwerden)
• Nährstoffdefizite (z.B. verschiedene Eisenwerte zum Ausschluss von Restless-Legs-Syndrom oder Cholesterin und Triglyceride beim Verdacht auf Atherosklerose)
• Durchblutungsstörungen
• Erkrankungen des Gehirns oder Rückenmarks
• Nervenverletzungen
• Muskelerkrankungen

Leitlinien zur Diagnostik einer Polyneuropathie

Die Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie wurden von der DGN (Deutsche Gesellschaft für Neurologie) herausgegeben. Die aktualisierte Fassung ist von 2019. Hierin wurden Empfehlungen für Ärzte und das Fachpersonal festgehalten, die die Diagnose und Behandlung verschiedener PNP-Formen betreffen. Zur Diagnostik werden folgende Untersuchungen benannt.

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Überblick Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. DGN 2019, S. 5

Zusatzverfahren

Um bestimmte Ursachen auszuschließen oder der Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Form von PNP nachzugehen, kommen gelegentlich auch bildgebende Verfahren zum Einsatz. Dazu zählen:

  • Biopsie von Nerventeilen: Um seltenere Formen von PNP (z.B. Small-Fiber-PNP) zu diagnostizieren wird – jedoch nur selten – Nerven- oder Muskelgewebe entnommen und mikroskopisch untersucht. So gewinnt man Aufschluss über mögliche Schädigungen von Nervenendfasern oder die Entzündungen von Blutgefäßen (Vaskulitis).
  • Herz-/Kreislauf-Untersuchungen: Bei zusätzlichen Symptomen wie Herz-Kreislauf-, Magen-Darm- oder Blasenbeschwerden wird das vegetative Nervensystem mithilfe verschiedener Testverfahren untersucht (Kipptisch, Schellong-Test, Messung der Herzfrequenzvariabilität, elektrischer Hautwiderstand, Schweißproduktion).
  • Bildgebende Verfahren: Zu den Zusatzuntersuchungen zählen auch bildgebende Verfahren wir Röntgenaufnahmen, Ultraschall,  Kernspintomografie (MRT) oder Computertomografie (CT). Diese kommen insbesondere bei dem Verdacht auf Nervenschädigungen im Wirbelsäulenbereich zum Einsatz, etwa durch Bandscheibenvorfälle, Gewebeanhäufungen oder Tumoren. Daraus resultierende Beschwerden können unter Umständen bis in die Hände und Füße ausstrahlen.
  • Stanzbiopsie der Haut: Zusätzlich zu den Standardverfahren kann bei Verdacht auf eine Small-Fiber-Neuropathie (SFN) eine Stanzbiopsie an zwei Körperstellen zum Einsatz kommen.

Fazit

Dieser Überblick über die Diagnoseverfahren sollte Ihnen dazu verhelfen, gut informiert und vorbereitet in den Austausch mit Ihrem Neurologen zu gehen. Lesen Sie in unserem Blog mehr zum Thema: Sind Sie zum Beispiel von Diabetischer Polyneuropathie betroffen oder von Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie?
Haben Sie weitere Anregungen oder Fragen zur PNP-Diagnose? Schreiben Sie uns jederzeit gern!

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Kieslinger, K.-D./Bauer, W. (2020): Polyneuropathie. Wenn nerven schmerzen. Wien: Verlagshaus der Ärzte.
Nesterenko, S. (2022): So therapieren Sie Polyneuropathie ganzheitlich und effektiv. 4. Aufl.
Heuß D. et al. (2019): Diagnostik bei Polyneuropathien, S1-Leitlinie, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 05.03.2024)

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