August 2024
Symptome einer Polyneuropathie
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Bei einer Polyneuropathie sind die peripheren, also die äußeren Nerven beeinträchtigt. Die Schädigungen beginnen meist an den längsten, von der Körpermitte weglaufenden (distalen) Nerven an den Extremitäten wie Händen und Füßen.
Man unterscheidet verschiedene Formen von Polyneuropathie, je nach Symptomen und Ursachen. Die Ausprägung und die Art der Beschwerden können sich von Person zu Person sehr unterscheiden, auch die Ursachen und Auslöser sind vielfältig. Die Behandlung einer Polyneuropathie ist deshalb meist höchst individuell.
Wir werden uns in diesem Beitrag mit den verschiedenen Symptomen einer Polyneuropathie auseinandersetzen. Unter „Was ist Polyneuropathie“ oder "Diagnose einer Polyneuropathie" finden Sie weitere wichtige Informationen zum Thema. Im Onlinekurs Polyneuropathie erhalten Sie daüber hinaus eine umfassende Liste verschiedener Therapieverfahren mit Hinweisen zu Nebenwirkungen, zur Therapeutensuche sowie Übungsanleitungen und Tipps zur Ernährung.
Symptom-Arten
Zu Beginn einer spürbaren Polyneuropathie berichten die meisten Betroffenen vom typischen Gefühl des „Ameisenlaufens“, einem Kribbeln oder Taubheitsgefühlen, die in der Regel symmetrisch an beiden Füßen/Unterschenkeln und/oder Fingern und Händen auftreten.
Mit fortschreitender Schädigung der Nerven verstärken sich auch die Beschwerden: Berührungsempfindlichkeit, gestörtes Temperaturempfinden, auch starke Schmerzen sind bei Polyneuropathien keine Seltenheit. Eine stark fortgeschrittene Nervenschädigung kann mit Gangunsicherheit, Lähmungen u.a. einhergehen.
Der Abbau der peripheren Nerven verläuft in der Regel eher langsam, sodass eine Polyneuropathie auch lange undiagnostiziert bleiben kann. Um Ihnen und Ihrem Arzt wertvolle Zeit zu schenken und eine gute Anamnesegrundlage zu haben, beginnen Sie frühzeitig mit dem Führen eines Symptomtagebuchs 👇. Hier erhalten Sie eine kostenlose Vorlage.
Die Leitlinien zur Diagnostik von Neuropathien unterscheiden zwischen sensiblen, motorischen und autonomen Reiz- und Ausfallerscheinungen.
Zu den sensiblen bzw. sensorischen Symptomen einer Polyneuropathie zählen:
- Kribbeln bzw. Ameisenlaufen
- Stechen und elektrisierendes Gefühl
- Temperatur-Empfindungsstörungen bei Wärme- und Kälte
- glühend-brennende Schmerzen ohne oder bei leichtester Berührung
- Juckreiz
- Gefühl des Eingeschnürtseins
- Schwellungsgefühle
- Pelzigkeits- und Taubheitsgefühle
- Gefühl, wie auf Watte zu gehen
- Gangunsicherheit
Zu den motorischen Symptomen einer Polyneuropathie zählen:
- Muskelzucken (Faszikulationen) und -krämpfe
- Muskelwogen (wellenartige Muskelbewegungen, Myokymien)
- Muskelatrophie (Muskelschwund, Muskelschwäche und Abbau der Muskelzellen)
- Muskelschmerzen (Myalgien)
- Lähmungen (Paresen)
Zu den autonomen Symptomen einer Polyneuropathie zählen:
- Pupillenstörungen
- Ödeme
- Störungen des Zuckerstoffwechsels
- Inkontinenz
- Herz-Kreislaufstörungen / Blutdruckabfall in aufrechter Position
- Verdauungsbeschwerden
- Erektionsstörungen
- Übermäßige oder reduzierte Schweißbildung
Die sensorische Neuropathie ist die meist verbreitete Form. Häufig kommen Symptome aber in Kombination vor.
Gehen wir im Folgenden auf einige Symptome etwas genauer ein.
Neuropathische Schmerzen
Nicht alle Betroffenen leiden unter neuropathischen Schmerzen, für manche hingegen nehmen diese ein unerträgliches Ausmaß an. Schmerzen zählen zu den Symptomen, die zweifelsohne einen immensen Leidensdruck und eine starke Minderung der Lebensqualität zur Folge haben.
Manche Betroffene verspüren einen anhaltenden Schmerz, andere nur sporadische Schmerzphasen. Bei einigen entwickelt sich eine starke Kontaktempfindlichkeit, bei der kleinste Berührungen bereits Schmerzen auslösen.
Die Art der neuropathischen Schmerzen kann dabei variieren und wird individuell unterschiedlich wahrgenommen. Sie werden als spitz, stechend, brennend, einklemmend, elektrisierend, aber auch dumpf und diffus charakterisiert. Beschrieben werden sie von Polyneuropathie-Betroffenen zum Beispiel so: als ob man „über Scherben läuft“, „Stromschläge bekäme“, „mit einer Nadel gestochen würde“ usw.
Auch die Dauer und Intensität kann selbst bei einer Person variieren: vorübergehende Schmerzzustände, chronische Schmerzen, Auftreten zu bestimmten Zeiten (z.B. eher nachts), nach bestimmten Bewegungen u.a.
Dauerhafte Schmerzen in Händen und/oder Füßen sorgen bei einem Großteil der Patient*innen zudem für Druck und die Angst, lebenslang mit ihnen konfrontiert zu sein. Schmerzpatient*innen leiden nicht selten an Folge- und Begleiterkrankungen wie Schlafstörungen und Depressionen. Schmerzen können außerdem gemeinsam mit weiteren Symptomen auftreten.
Diese große Variabilität erschwert verständlicherweise auch die Empfehlung einer passenden Schmerztherapie bei Polyneuropathie. Für medikamentöse Lösungen gibt es keinen Standard, oft testen sich Ärzt*innen und Patient*innen durch eine Reihe möglicher Arzneimittel, bis etwas Wirksames gefunden ist.
In der Regel wird die Schmerztherapie als multimodal angelegt, d.h., dass sie aus mehreren Säulen besteht, z.B. medikamentös, ergotherapeutisch, physiotherapeutisch usw.
Erfahrungsbericht einer Betroffenen mit neuropathischen Schmerzen
„Ich habe eigentlich ständig Schmerzen. Aber sie kommen in Schüben stärker und schwächen sich dann wieder etwas ab. Besonders wenn ich die Füße ruhig halte, knallt es manchmal ganz überraschend rein und es ist wie ein extremes Ziehen oder Stechen, manchmal bis in die Wade hinein. Es fühlt sich dann an, als ob jemand eine lange Spritze rasend schnell in den Fuß schiebt , oder mehrere. Es piekst, es sticht, aber eben sehr intensiv.
Das Gefühl habe ich auch hin und wieder, wenn ich laufe. Dann ist es nicht so stark, aber doch spürbar. So, dass ich kurz anhalten und mich bestenfalls setzen muss, weil das Auftreten dann viel zu schmerzhaft wird. Ich fange dann oft an zu humpeln, nur auf den Zehenspitzen oder der Ferse zu laufen, je nachdem, wo der Schmerz gerade am wenigstens spürbar ist.
Die Blicke der anderen und die Hilfslosigkeit in solchen Momenten machen mir ziemlich zu schaffen. Ich ertrage das nur schwer und versuche alleinige Spaziergänge deshalb eher zu meiden. Ich habe glücklicherweise eine wunderbare Nachbarin, die mich ein paar mal in der Woche nach draußen begleitet.“
Missempfindungen bei Polyneuropathie
Missempfindungen erstrecken sich auf die gestörte Wahrnehmung von bestimmten Untergründen, Temperaturen, einen gestörten Tastsinn oder eine geminderte Schmerzsensibilität.
Werden Missempfindungen stärker, können sich ernsthafte Gefahren daraus ergeben: Verbrennungen oder Erfrierungen bei einer geminderten Wahrnehmung von Temperaturextremen, Verletzungen und Wunden.
Bewegungseinschränkungen durch Polyneuropathie / Störungen in der Fein- und Grobmotorik
Polyneuropathie kann in einem fortgeschritteneren Stadium zu Gangunsicherheit und bestimmten motorischen Einschränkungen führen.
- Betroffene berichten beispielsweise von dem Gefühl, wie auf Watte oder auf Sand zu gehen, was zu Schwierigkeiten beim Laufen führt. Einige nehmen den Wechsel von verschiedenen Untergründen nicht mehr oder nur geringfügig wahr.
- Schwere Beine, mangelndes Feingefühl in den Zehen führt mitunter zu einem steifen oder tapsigen Gang, Problemen beim Abrollen oder dem Anheben des Fußes. Dies wiederum hat eine höhere Stoßanfälligkeit zur Folge. Den Gang beeinflussen auch auftretende Schwindelphasen und Gleichgewichtsstörungen.
- In den Händen macht sich die schwindende Feinmotorik zum Beispiel darin bemerkbar, dass Gegenstände nicht mehr gut umgriffen oder gehalten, Knöpfe oder Reißverschlüsse, Flaschenverschlüsse nicht mehr geöffnet und geschlossen werden können. Selbst das Drehen des Schlüssels an der Tür wird für manch Betroffene*n zur Geduldsprobe.
Diese Störungen in der Bewegungsfähigkeit machen zunehmend Hilfe und Unterstützung notwendig. Ob Rollator, bestimmte Armaturen in der Wohnung (z.B. Hebehilfen neben der Toilette) oder personelle Hilfen zur Erledigung alltäglicher Dinge. Sie werden hierzu von Ihren Ärzten, Ergotherapeuten oder in Sanitätshäusern beraten.
Schlafstörungen und Polyneuropathie
Unser Schlaf ist zentral für die Gesunderhaltung des menschlichen Organismus, denn im Schlaf
- finden zentrale Prozesse des Immunsystems statt, die die Immunaktivität stärken und die Abwehr von Erregern fördern.
- reinigen sich unsere Organe und erholen sich von ihrer täglichen Schwerstarbeit.
- erfolgt die Regeneration unserer Nerven.
- reguliert sich unser Hormonhaushalt und unsere Zellaktivität. Wenig Schlaf führt zu einer Erhöhung unseres Cortisolspiegels und damit unseres Stresslevels. Dies hat wiederum Auswirkungen auf andere Funktionen unseres Körpers (z.B. die Regulierung des Blutzuckerspiegels).
Gehören nächtliche Erholungsphasen nicht mehr zum Alltag, da der Schlaf durch die Polyneuropathie-Symptome gestört ist, stellen sich teils belastende Folgebeschwerden ein:
Der Regenerations- und Gesundhaltungsprozess gerät aus dem Gleichgewicht, Abgeschlagenheit, Konzentrationsschwäche bis hin zu Ängsten und Depressionen können die Folge sein.
Körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen, Infektanfälligkeit können aus der mangelnden Immunaktivität und dem Auftreten von Entzündungen begünstigt werden, denen ein erholsamer Schlaf in der Regel vorbeugt.
Erschöpfung / Fatigue bei Polyneuropathie
Erschöpfungszustände sind nicht mit üblichen Müdigkeitsphasen zu vergleichen. Sie „wiegen schwerer“ und lassen sich deutlich weniger durch Schlaf ausgleichen.
Die Erschöpfungsphasen können konstant sein, was zu einer starken Belastung im Alltag führt. Sie können aber auch nur phasenweise oder spontan in Erscheinung treten.
Fatigue bei Polyneuropathie kann durch Schlafstörungen begünstigt werden, aber auch als Folge der medikamentösen Therapie auftreten.
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Krankheiten mit ähnlichen Symptomen
Manche Beschwerden, von denen Betroffene berichten, treffen nicht ausschließlich auf Polyneuropathien zu. Gerade Missempfindungen, Schmerzen und Brennen in Füßen und Händen können unterschiedliche Ursachen haben.
Einige der Krankheiten mit ähnlichem Symptombild sind bspw.:
• Restless-Legs-Syndrom: Auslöser können Stoffwechselstörungen des Neurotransmitters Dopamin oder auch Eisenmangel sein
• Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK): Ursächlich hierfür sind Ablagerungen von Fett und Kalk in den Arterien.
• Schädigungen der Wirbelsäule: z.B. ein verengter Rückenmarkskanal, etwa durch Bandscheibenvorfälle, Infektionen, Entzündungen, Blut- oder Gewebeansammlungen
• Ödeme (v.a. an Knöcheln, Unterschenkeln): Diese entstehen meist durch Krampfadern, Herz- oder Nierenschwäche, Eiweißmangel o.a.
• Überlastung der Füße/Beine, z.B. durch falsches Schuhwerk, übermäßige sportliche Betätigung oder Gelenkstörungen, Fuß- und Beinfehlstellungen.
Insbesondere bei der Diagnostik ist es deshalb relevant, Krankheiten mit ähnlichen Beschwerden auszuschließen (man nennt dies Differentialdiagnostik), da sie mitunter eine abweichende Behandlung erfordern.
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Kieslinger, K.-D./Bauer, W. (2020): Polyneuropathie. Wenn nerven schmerzen. Wien: Verlagshaus der Ärzte. Nesterenko, S. (2022): So therapieren Sie Polyneuropathie ganzheitlich und effektiv. 4. Aufl. Heuß D. et al. (2019): Diagnostik bei Polyneuropathien, S1-Leitlinie, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 05.03.2024)
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