Nov 08, 2023
Schutz und Regeneration von Schleimhäuten bei Krebstherapien
Artikel enthält Werbung, die von der Redaktion hinzugefügt wurde. Die interviewte Beraterin ist unabhängig, von ihr gehen keine Werbeinhalte aus.
Im letzten Blogbeitrag haben wir Silvia Konrad interviewt. Sie hat die onkologischen Beratungsapotheken ins Leben gerufen und arbeitet freiberuflich als Beraterin und Referentin zum Nebenwirkungsmanagement bei Krebstherapien für Fachpersonal, Apotheken und Patient*innen – mit dem Schwerpunkt Haut und Schleimhautpflege. Sie hat uns wertvolle Einblicke in ihre Beratungspraxis gewährt, uns an Patient*innengeschichten teilhaben lassen und vor allem den Bedarf nach einer umfassenderen Beratung für Betroffene aufgezeigt.
Im heutigen Post haben wir Silvia Konrad vor allem zu den häufigsten Beschwerden befragt, zu denen Patient*innen sie konsultieren. Es erwarten Sie wertvolle Tipps zum Schutz und zur Pflege der Haut und Schleimhäute vor, während und nach einer Krebstherapie.
Ursachen und Symptome von Haut- und Schleimhäutschäden durch Krebstherapien
Schön, dass Sie uns und unseren Leser*innen ein paar Impulse mit auf den Weg geben. Steigen wir doch direkt ein. Warum werden Haut und Schleimhäute eigentlich so sehr strapaziert bei einer Chemo- und Strahlentherapie?
Ein Großteil der Therapien, v.a. Zytostatika, zielen darauf ab, schnellteilende Zellen, die Krebszellen anzugreifen und zu zerstören. Aber wir wissen, dass Haut- und Schleimhautzellen auch zu den schnellteilenden Zellen gehören. Die Konsequenz, dass diese unter der Chemotherapie leiden, ist also naheliegend.
Die Frage ist aber zunächst: Wo im Körper habe ich denn überhaupt Schleimhäute?
Schleimhäute haben wir von oben nach unten am und im Körper verteilt. Es fängt an bei den Augen, die trocken, gerötet, gereizt sein können. Die Mundschleimhaut, Vaginal-, Analschleimhaut, bis hin zu den Gelenkschleimhäuten. Alle können von Juckreiz, Rötungen, Schwellungen, Brennen und Trockenheit betroffen sein.
Bei wenig Pflege und Vorbeugung kann dies bis zu Extrembeispielen reichen, wo Hautrisse, Blutungen, Vernarbungen die Folge sind. Sekundär zu diesen Entzündungsreaktionen kommen der Befall mit Keimen, Pilzen u.a.
Krebstherapie und Mundschleimhaut
Vielleicht nehmen wir uns einmal ein paar Beispiele heraus und konzentrieren uns für heute auf die Schleimhäute. Fangen wir doch bei den Auswirkungen einer Chemotherapie auf die Mundschleimhaut an.
Gern. In der Mundhöhle befinden sich die Speicheldrüsen. Unser Körper produziert mehrere Liter Speichel am Tag. Er hat zig Aufgaben: Er kleidet die Mundhöhle aus, reguliert den PH-Wert, dient der Verdauung von Kohlenhydraten (Speichelamylasen), er schützt und wirkt antibakteriell.
Wenn ich nun eine Therapie habe, die die Speichendrüsen angreift - das macht die Chemotherapie, vor allem Taxane -, dann wird die Speichelproduktion eingeschränkt. Mit der Folge, dass die Schleimhaut irgendwann wie Papier, wie Pergament wird. Dann verändert sich der ph-Wert.
Mit der Nahrungsaufnahme, mit der Aufnahme v.a. säurehaltiger Lebensmittel häufen sich dann die Verletzungen, Fissuren. Damit einhergeht, dass sich Bakterien ansiedeln können und andere Keime. Das Resultat ist eine Mundschleimhautentzündung, eine orale Mukositis, eine Stomatitis (einzelne Haut- und Schleimhauterkrankungen erläutert dieser Artikel). Oder aber es setzen sich Pilzsporen drauf, dann haben die Patient*innen einen Mundsoor. Aber auch Viren: Ein einfacher Lippenherpes bspw. breitet sich bei immunsuppressiven Patient*innen immens schnell aus.
Prävention ist hier das A und O.
Patient*innen rate ich dann konkret: Motivieren Sie Ihre Speicheldrüsen dazu Speichel zu produzieren, indem man viel kaut, viel trinkt, etwas lutscht. In der Onkologie sprechen wir nicht von täglicher Mundpflege, also nicht nur von zwei mal am Tag Zähneputzen und evtl. eine Spülung verwenden. Krebspatient*innen sollten konsequent Spülungen machen, eine weiche Zahnbürste verwenden, viel trinken und präventiv ein befeuchtendes Mittel verwenden, das den Speichel im Idealfall imitiert.
Haben die Patient*innen schon leichte Verletzungen, dann brauchen sie etwas, was diese Entzündungen reguliert. Wenn ich weiß, ich habe eine Chemotherapie, die hochemetogen ist (das heißt, die Neigung zu Übelkeit und Erbrechen ist groß), dann sollte man präventiv arbeiten. Manchmal ist die Compliance der Patient*innen gering und sie schaffen es nicht bis zu 5x täglich eine geeignete Mundspüllösung zu verwenden. Nicht selten spielen dabei auch Übelkeit, Geschmacksveränderungen im Mund (metallisch) eine Rolle. Die Anwendung eines Gels ist dann viel einfacher, aber kann genauso effektiv sein. Es kann immer mal schnell aufgetragen werden.
Von Bedeutung sind hochkonzentrierte Lipide (Fette) in den Gels, zusätzlich Hyaluronsäure und Panthenol im besten Fall. Die Fette haben die herausragende Eigenschaft Entzündungen zu lindern und zur Regeneration der Schleimhäute beizutragen. Körpereigene physiologische Inhaltsstoffe wie Endocannabinoide (z.B. PEA) sind extrem nützlich, sie docken an den Mastzellen oder eben auch an den Schmerzrezeptoren an. Das sollte dann aber wirklich konsequent angewendet werden, damit die Zufuhr an diesen Wirkstoffen gewährleistet ist.
Bei Patient*innen, die Strahlentherapie im Hals-Mund-Kopfbereich erhalten, wo die Speicheldrüsen zu einem Großteil zerstört werden, ist es immens wichtig die Schleimhäute konstant zu befeuchten, um Entzündungen vorzubeugen.
Krebstherapie und die Vaginalschleimhaut
Danke für diese Informationen! Wie sieht es bei anderen Schleimhautarealen aus? Sie haben im letzten Blogbeitrag auch Patient*innen erwähnt, die Ihnen von Beschwerden im Intimbereich berichten, die u.a. zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen? Chemotherapie und Co. haben demzufolge auch Auswirkungen auf die Vaginalschleimhaut?
Richtig, v.a. Taxane wie Paclitaxel, aber auch Antihormontherapien – also v.a. Standardtherapien bei Brustkrebspatient*innen. Kurzer Exkurs: Bei Personen, die Antihormontherapien bekommen, liegen Hormonrezeptor positive Tumoren vor. Das ist wichtig, weil die Zytostatika daran andocken. Das macht im Übrigen die größte Gruppe von Brustkrebspatient*innen aus. Diese haben gleichzeitig auch eine gute Perspektive. Wenn diese Rezeptoren nicht vorliegen, müssen andere Therapien eingesetzt werden.
Wenn Frauen vor der Menopause an einem Hormonrezeptor positiven Krebs erkranken, dann haben sie noch eine uneingeschränkte Östrogenproduktion. Östrogen fördert das Wachstum der Krebszellen und es steigert auch das Rezidiv-Risiko. Deshalb entschließt man sich, die Produktion einzustellen, zum einen durch die so genannten Gnrh-Analoga. Zoladex ist so ein Klassiker. Östrogene werden aber nicht nur im Eierstock gebildet, sondern auch in Muskeln und dem Fettgewebe, und das findet auch nach den Wechseljahren statt. Hier werden dann meist die Aromatasehemmer eingesetzt, welche die Östrogenproduktion im Muskel- u. Fettgewebe deaktivieren.
Bei beiden treten die Auswirkungen auf – Östrogen und Kollagen fehlt, Schleimhäute trocknen aus und das Bindegewebe verliert an Elastizität. Bedingt durch die extreme Scheidentrockenheit kann es leicht zu Einrissen in der Schleimhaut kommen.
Was können Betroffene machen, um das zu verhindern?
Präventive Maßnahmen: So wie ich den Körper jeden Tag eincreme, kann ich eben auch die Vaginalschleimhaut 2-3 mal täglich einreiben. Vorzugsweise mit einer sehr lipidreichen Creme, weil die Lipide die Entzündungen lindern und die Haut regenerieren. Durch das Einmassieren gelangen Lipide in die Schleimhaut, diese kommt wieder ins Gleichgewicht. Ein feiner Lipidfilm trägt zum Schutz bei.
Das alleine reicht aber nicht aus. Denn wenn eine Schleimhaut trocken ist, kann sie auch nicht mehr ihrer Funktion nachkommen.
Jede Ebene hat einen bestimmten ph-Wert. Dieser ist wichtig, um eine Barriere gegen Keime aufzubauen, damit Patient*innen nicht permanent mit Pilzen, Blasenentzündung u.ä. kämpfen müssen. Diese Funktionalität kann man durch Kuren von 8-10 Tagen mit Milchsäurebakterien wiederherstellen.
Das sind die Supportivmaßnahmen, die v.a. Patient*innen, die regelmäßig von Pilzen betroffen sind, machen sollten. Cranberry und Mannose sind auch unterstützend, aber im Prinzip ist es das A und O, den ph-Wert im richtigen Bereich zu halten und die Schleimhaut zu pflegen. Unterstützend beim Geschlechtsverkehr sind außerdem Gleitgele.
Krebstherapie und die Analschleimhaut
Sie erwähnten vorab auch eine Patient*in, die Ihnen von einer geschädigten Analschleimhaut durch die Chemotherapie berichtete. Was empfehlen Sie dahingehend?
Wir haben oft Substanzen, bei denen bekannt ist, dass sie zu schweren Durchfällen führen können. Substanzen wie z.B. Irinotecan und eigentlich meist bei oralen Zytostatika in Tablettenform (SMKIs). Bei Bestrahlung im mittleren Körperbereich (Strahlenenteritis), Patient*innen mit Analkarzinom, mit Prostatakrebs kommt es auch verstärkt vor. Wer langanhaltende Durchfälle hat, hat i.d.R. eine wunde und offene Analschleimhaut.
Auch da ist es absolut sinnvoll, präventiv zu arbeiten. Man kann ein Wundpflegebalsam auf Zinkbasis nehmen, aber das reicht bei dieser Art der Durchfälle nicht aus. Oft werden Tannine eingesetzt. Diese sind in der Wirksamkeit manchmal stärker. Da fehlt es aber häufig an der Fettbasis, um der Austrocknung vorzubeugen und zur Zellregenration und Wundheilung beizutragen. Heidelbeer-, Weinreben- oder Mausdornextrakte geben ein zusätzliches Pflegeplus.
Das sind sehr gute Impulse, vielen Dank dafür!
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